Saturday, June 6. 2009Freibier für alle hilft den Durstigen nicht
Ich hatte meinem Vater erzählt, wie begeistert ich von der Idee des Bedingungslosen Grundeinkommens bin. Er schickte mir als Antwort einen Artikel aus der Frankfurter Rundschau vom 25.6.2007: Freibier für alle hilft den Durstigen nicht. Meine Replik darauf:
Hallo Vater,
es freut mich, dass Du über das Thema nachgeforscht hast. Hast Du Lust, ein wenig weiter zu diskutieren? Ich bin ja selber noch am nachforschen, ob die Idee vernünftig ist. Zuerst zu dem Zeitungsartikel. Der Stil ist ziemlich unsachlich. Ich gehe nur auf die Merkposten am Ende ein. 1.Es ist nicht die Aufgabe der Gewerkschaften, die aus dem Erwerbsleben Ausgegrenzten mit Trostpflastern für ihre Ausgrenzung zu versorgen. Es geht den Gewerkschaften nicht um Stilllegungsprämien für Arbeitskräfte, sondern um die Integration aller Arbeitswilligen in das Erwerbssystem. Nicht zuletzt hat das etwas zu tun mit dem gewerkschaftlichen Verständnis von der Würde des Menschen. Dieser Punkt geht davon aus, dass es zur Würde des Menschen gehört, einer Erwerbsarbeit nachzukommen. Nur wie ist das zu rechtfertigen, wenn wir gar nicht mehr so viel arbeiten müssen, um unsere Bedürfnisse zu befriedigen? Vor 150 Jahren gab es noch Hunger in Deutschland und der Mangel an allem war der Normalzustand. Inzwischen kann ein kleiner Teil der Bevölkerung mit Hilfe von Maschinen alle unsere Grundbedürfnisse befriedigen. Wir sind sogar so befriedigt, dass Marketingabteilungen dafür bezahlt werden, künstlich Bedürfnisse in uns zu erzeugen. Wie sonst ist es erklärbar, dass Tamagotchis gekauft wurden. Kein Mensch braucht ein Tamagotchi. Was ist das eigentlich für ein Verständnis von der Würde des Menschen? Hat Mutter keine Menschenwürde, weil sie nicht am Erwerbssystem teilnimmt? Oder ist sie nicht Arbeitswillig? Arbeitet sie etwa nicht? 2.Die pauschale Unterstützung von Nicht-Hilfebedürftigen geht prinzipiell zu Das heißt, den Leuten geht es jetzt mit Hartz IV besser als mit einem Grundeinkommen von 1600 Euro? 3.Die Finanzierungslasten eines bedingungslosen Grundeinkommens für alle Das Netzwerk Grundeinkommen definiert den Begriff Bedingungsloses Grundeinkommen in vier Punkten: Es soll
Nach dem ersten Punkt, ist es also kein Grundeinkommen, wenn es unter dem Existenzminimum liegt. Weiterhin geht der Autor davon aus, dass die einzige Finanzierungsquelle die Summer der jetzigen Sozialleistungen sei. In dem Modell von Werner wird das Grundeinkommen aber über den Konsum, d.h. über eine hohe Mehrwertsteuer finanziert. 4.Die Vorstellung, zusätzliche Gegenfinanzierungsmittel über eine drastische Es ist gut, wenn Menschen arbeiten. Wir sollten die Menschen also nicht dafür bestrafen, dass sie arbeiten, indem wir das Einkommen besteuern. Andererseits haben wir uns an einen exzessiven Konsum gewöhnt, der Tiere quält, unseren Kindern die Natur vernichtet und Menschen in anderen Ländern versklavt oder verhungern lässt. Es ist notwendig, dass die Menschen in den Industrieländern ihren Konsum einschränken. Deswegen ist es gut, wenn der Konsum besteuert wird. Darunter wird aber der Hartz IV Empfänger in Deutschland nicht leiden. Zum einen hat er nicht mehr 300 sondern 1600 Euro für seinen Konsum zur Verfügung. Zum anderen werden Dienstleistungen, wie z.B. Kinderbetreuung, Nachhilfe oder Altenpflege drastisch billiger. Viele alleinerziehende Mütter würden gerne arbeiten, können sich aber die Betreuung für ihre Kinder nicht leisten. Würde die Arbeit nicht mehr besteuert, würde ökologische, arbeitsintensive Landwirtschaft auf einmal auch billiger. 5.Die individuelle Entscheidung, nicht am Erwerbsleben teilhaben zu wollen, Diese Unterstellung ist eine Frechheit. Da werden also alle Verfechter des Bedingungslosen Grundeinkommens pauschal als Faulpelze abgestempelt? Ich würde nicht faul rumliegen, wenn mein Einkommen gesichert wäre, sondern viele sinnvolle Dinge tun. Sinnvoller als das, womit ich jetzt mein Geld verdiene. Und die Entscheidung von Mutter, nicht am Erwerbsleben teilzunehmen und stattdessen zwei Hochqualifizierte Softwareentwickler großzuziehen ist nicht unterstützenswert? Was ist mit ehrenamtlicher Arbeit? Mutter hat Jugendarbeit im Mandolinenverein gemacht ohne dafür Geld zu bekommen. Aber Autos bauen die mehr als 3-Liter schlucken - Das ist unterstützenswert? ICH BIN SAUER! So. Jetzt nimm ich mir das PDF von Wiso vor. Danke für den FR-Artikel! Trackbacks
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Comments
Hallo, Thomas!
Bin gerade auf deinen Blog gestoßen. Und dann beim Thema "BGE" hängengeblieben. Deshalb kurz ein paar Bemerkungen von mir dazu. Vorausgeschickt sein: Die Idee an sich finde ich faszinierend. Aber ich stehe dem BGE trotzdem sehr skeptisch gegenüber - weil seine tatsächliche Umsetzung eher kontraproduktiv wäre. Leider. Hier mal meine Argumente: 1. Es gibt nicht DAS BGE-Konzept. Sondern zig verschiedene. Das ist ja nicht weiter schlimm, merkwürdig ist nur, dass sich hier Marktgläubige und Marktignoranten vermeintlich hinter derselben Idee vereinen. Viel entscheidender als das BGE ist daher die "wirkliche" Idee hinter dem Begriff. BGE klingt so positiv, dass man kaum merkt, dass man krassem Neoliberalismus bzw. Sozialutopie anheim fällt. Ersteres will ich nicht. Bei Zweiterem bin ich sehr vorsichtig: Die Idee, den Himmel auf Erden verwirklichen zu wollen, hat bereits oft in die Hölle geführt. 2. Ziele des BGE sind (so sagst du ja auch): Existenz sichern und Teilhabe ermöglichen. Beides finde ich SEHR GUT! Aber: Es wird einfach so getan, als ob zwischen beidem ein Zusammenhang bestünde. Dies ist aber gerade NICHT belegt (wenn doch: Bitte Hinweis auf die entsprechende Studie!!!). Im Gegenteil: Es scheint sogar manches Argument dafür zu sprechen, dass eine Existenzsicherung gerade nicht zur gesellschaftlichen Teilhabe führt. Denn wenn man versorgt ist, was soll man sich dann noch engagieren? Jetzt kommt dein Gegenargument: "Ich würde nicht faul rumliegen, wenn mein Einkommen gesichert wäre, sondern viele sinnvolle Dinge tun." Genau - das würdest DU tun. Aber von sich auf andere schließen ist leider noch kein gutes Argument. Wer engagiert sich denn am meisten? Diejenigen, die fest im Erwerbsleben integriert sind und sehr viel (!) arbeiten (vgl. Engagemnetatlas 2009, Freiwilligensurvey 2004). Umso "integrierter" jemand ist, desto mehr integriert er sich weiter. Jemand der abgekoppelt ist, hat es unendlich viel schwieriger. Diesen Menschen einfach finanziell ein paar Brocken hinwerfen, dass sie versorgt sind, führt nicht zu mehr Teilhabe sondern zu einer sich verstärkenden Passivierung. Menschen, die bereits über vielfältige Teilhabemöglichkeiten verfügen, die zur kreativen oder freischaffenden Szene gehören, werden vom BGE ohne Frage immens profitieren. Der Abstand zu Menschen, die aus gesellschaftlichen Teilhabeprozessen zur Zeit heruasfallen, wird sich so aber eher vergrößeren. Das BGE könnte daher genau zu dem Gegenteil dessen führen, was es will. Und hier noch ein Link zu einem Paper, das sechs BGE-Modell miteinander vergleicht: http://www.ekd.de/si-download/SI_070205_zeeb_bedingungsloses_grundeinkommen.pdf Lieben Gruß! Martin...
Hallo Martin,
danke für Deinen Kommentar! Ein Blog reicht natürlich nicht aus, um das BGE zu diskutieren. Dein erster Punkt ist sehr unklar und wohl eher ein Bauchgefühl. Zu Punkt 2: Warum fallen Menschen aus den Teilhabeprozessen heraus? Doch nicht, weil sie keine Motivation hätten! (Gibts auch...) Sondern weil einfach nicht genug Erwerbsarbeit für alle da ist, oder weil Armut vererbt wird. Wie bekommt man solche Menschen dazu, teilzuhaben? Indem man Druck ausübt, sie zwingt sich Erwerbsarbeit zu suchen, wo es keine gibt? Ich war selber schon zweimal für kurze Zeit arbeitslos. Und selbst für einen studierten Physiker und Softwareentwickler ist es nicht leicht, bezahlte Arbeit zu finden. Du vergisst auch DEN zentralen Punkt des BGE: Ich kann mich darauf verlassen, dass ich es von der Wiege bis zur Bahre bekomme. Ich muss keine Zukunftsangst haben, die mich lähmt. |
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